Der sechste Monat


Kurioses:

Hier noch ein kleiner Nachtrag zum Karneval. Bei manchen dieser kleinen Grüppchen, die da mitlaufen, ist es - wie schon erwähnt nicht nötig vorher zu üben (bei den meisten schon, aber es gibt Gruppen, die keine Choreographie haben). Bei diesen Gruppen kann man ohne vorher zu üben mitlaufen, man muss nur das Kostüm bezahlen. Da sucht man sich eine möglichst gute Schule aus (man will ja schließlich bei den Gewinnern sein) und geht kurz bevor die loslaufen zum Start. Dort kann man sich Kostüme kaufen. Am Anfang sind die ziemlich teuer, aber wenn man erst kurz bevor sie loslaufen kommt, kriegt man sie sehr billig (wenn es noch welche gibt), weil die Schulen ja schließlich ihr volles Programm hinlegen wollen.
Wachmänner gibt es in Brasilien überall. Jede Firma, jede Bank, jeder Geldautomat und viele Geschäfte werden von bis an die Zähne bewaffneten Wachmännern bewacht. Dies gilt gleichermaßen für Manaus, wie für Rio de Janeiro.
Kino ist hier wie gesagt sehr witzig, nicht nur wegen den Untertiteln. Es gibt keine Platzkarten, d. h. wer zuerst in den Saal kommt, hat die besten Plätze. Allerdings sind alle sehr optimistisch, so glauben auch die letzten, die in den Saal kommen (auch wenn dieser schon richtig voll ist), dass es in der letzten Reihe noch Plätze frei hat und gehen erst mal ganz nach hinten, als wenn da niemand sitzen wollte…
Wie viele Telefonzellen es in Manaus gibt, geht auf keine Kuhhaut. Das ist wirklich unglaublich. An jeder Ecke stehen welche, meistens gleich zwei bis vier. Und noch besser: die meisten werden ständig benutzt. Man kann davon ausgehen, dass mindestens eine von dreien immer benutzt wird, Wahrscheinlich liegt es einfach daran, dass viele Menschen kein eigenes Telefon haben…
Viele arme Menschen bauen sich hier Häuser auf bzw. knapp neben kleinen Bächen und Flüssen, die durch die Stadt fließen, weil es dort noch Platz hat. Dieser Holzhütten stehen auf Holzpfählen. Dummerweise werden die Bäche und Flüsse (wie alles andere auch), als große Müllhalde benutzt. Der Müll bleibt dann an den Pfählen hängen, das Wasser staut sich und irgendwann reißt es die Hütte mitsamt Inhalt um. Dann kommt die Stadtverwaltung mit Baggern und Lkws daher und baggert den Fluss/Bach wieder aus und reißt dabei die restlichen Häuser ab. Die armen Menschen werden dann in Siedlungen weit entfernt (30km) von der Stadt abgeschoben. Dort gibt es keine Arbeitsplätze und kaum Transportverbindungen zur Stadt. Nach kurzer Zeit bauen sich die armen Menschen neue Hütten an der gleichen Stelle wie die alte…

Reise:

Am Ende meines Aufentahlts in Brasilien (in diesem sechsten Monat) habe ich eine zweiwöchige Reise durch Brasilien gemacht. Diese Reise hat gleich mal ziemlich gut begonnen, mit einer zweieinhalbstündigen Verspätung des Fliegers. Als der Flieger in Manaus ankam, haben sie erstmal an einem Triebwerk rumgeschraubt (wie sich später herausstellte war es die Klimaanlage…). Da das natürlich direkt vor dem Terminal passiert ist, haben das alle gesehen, so auch eine Gruppe mit recht netten Amerikanern. Einer dieser fünfzehnköpfigen Gruppe hat sich dann kurz vor dem Start doch noch entschlossen wieder auszusteigen. Dadurch bekam das Flugzeug noch einige Minuten mehr an Verspätung, da er zwar aussteigen wollte, aber plötzlich seinen Freunden noch so viel zu erzählen hatte. Die Stewardessen haben ihn dann aber doch noch mit vereinten Kräften hinaus bekommen.
Ehrlich gesagt hatte ich auch ein wenig Angst, allerdings nicht vorm Fliegen, sondern viel mehr vor meinem ersten Ziel (Rio de Janeiro), da mir alle Brasilianer nicht eine gute Reise mit auf den Weg gegeben hatten, sondern die Worte "Toma cuidado la", was so viel heißt wie: "Sei da aber ja vorsichtig". Die ersten Schritte in Rio wurden mir aber leicht gemacht, da ich ja einen brasilianischen Freund dabei hatte, der jetzt in Rio studiert und mich sicher zu meinem Hotel geleitet hat.
Am nächsten Morgen allerdings war ich auf mich alleine gestellt. Ich hatte mich dazu entschlossen erst mal einen kleinen Spaziergang durchs Stadtzentrum zu machen. Eins meiner ersten Ziele war eine alte Straßenbahn nahe meinem Hotel. Als ich in die Straße einbog, kam mir eine Frau entgegen, die mich freundlich darauf hinwies, dass ich da besser nicht hingehen sollte, da es dort "muitos garotos" (also: viele "Jungs") hätte. Daraufhin habe ich beschlossen diese Straßenbahn an diesem Tag nicht zu besichtigen und anstatt dessen das nächste Ziel, eine Kathedrale, die laut Reiseführer 20000 Menschen fassen soll, anzusteuern. Die Kathedrale ist wirklich groß und auch recht hübsch, aber 20000 Leute? Da hat sich wohl irgendwer mit den Nullen vertan, denn 20000 Menschen fasst diese Kathedrale niemals (höchstens übereinander, denn sie ist 80 Meter hoch).
Am nächsten Morgen wollte ich dann auf den Corcovado (das ist der Berg mit der Christusstatue), als ich aus dem Hotelzimmer sah, war keine Wolke zu sehen. Als ich am Fuß des Corcovados am Zug, der hinauffährt, ankam, war immer noch kaum eine Wolke am Himmel zu sehen. Als ich dann endlich oben war, war (fast) nichts anderes mehr als Wolken zu sehen. Also beschloss ich an einem anderen Tag wieder zu kommen und nahm mir den nächsten Programmpunkt für diesen Tag vor. Dabei habe ich festgestellt, dass das Bussystem in Rio ein anderes ist wie jenes in Manaus. Zum einen steigt man vorne ein und hinten aus und der Kassierer sitzt somit vorne. Zum anderen kostet fast jeder Bus anders. Dabei variieren die Preise von 1,50 bis 5,00 Reais. Allerdings habe ich bis heute keine Ahnung wie diese Schwankungen zu Stande kommen, bzw. was die höheren Preise begründet.
Am nächsten Tag, wollte ich zum Abschluss des Tages in die älteste Bar Rios zum Essen gehen. Diese Bar hieß bis zum zweiten Weltkrieg "Bar Adolf" und jetzt "Bar Luiz" und verkauft größtenteils deutsches Essen. In meinem Reiseführer war das als der große Geheimtipp angepriesen. Dort angekommen habe ich dann Bratwürste mit Kartoffelsalat bestellt und Weißwürste mit Kartoffelsalat bekommen. Natürlich waren auch andere Leute in dieser Bar (die meisten mit demselben Reiseführer, der lag fast auf jedem Tisch). So auch ein Wiener, den ich aufgrund des Reiseführers gefragt hatte, wo er denn her komme. Als er mir erzählte, dass er noch mit der alten Straßenbahn (siehe oben) fahren wolle, habe ich beschlossen mich ihm anzuschließen. Diese Straßenbahn ist wirklich witzig, sie führt durch ein früheres Villenviertel (heute leben nur noch relativ arme Menschen da) und die Bauten sind zum Teil sehr schön. Während der ganzen Fahrt springen dauernd Menschen auf und ab und hängen sich von außen an die Straßenbahn, damit sie den Fahrtpreis (immerhin stolze 0,7 Reais) nicht bezahlen müssen.
Wieder einen Tag später war wieder der Corcovado dran und diesmal war die Sicht wider Erwarten hervorragend. Man hat von dort wirklich einen tollen Blick über Rio, da er eigentlich in mitten der Stadt liegt. Rings um den Berg ist Rio de Janeiro. Außerdem war an diesem Tag auch die Schweizer Beachsoccernationalmannschaft (Schweiz und Beach? Schweiz und Fußball? Eigentlich Dinge, die nicht wirklich zusammenpassen - na ja sie hatten ja auch am Vortag zweistellig gegen Brasilien verloren. Dabei sein ist alles! Deutschland hat im Übrigen auch nicht viel besser abgeschnitten, aber immerhin nicht zweistellig) dort und hat sich in wirklich tollen Posen fotografieren lassen.
Am folgenden Tag bin ich zuerst mal in ein großes Einkaufsmall gegangen um mich dort ein wenig umzusehen. Als ich wieder raus kam, stand da ein Team vom brasilianischen Fernsehen und wollte mich zum Thema "Big Brother Brasil" interviewen. Ich habe der Reporterin dann freundlich erklärt, dass ich erstens Deutscher bin und dazu nicht viel sagen kann und dass ich zweitens Big Brother in Deutschland schon ziemlich sch…lecht fand. Am Abend wurde ich dann von meinem brasilianischen Freund zum Beachsoccerspiel Brasilien gegen Argentinien (Viertelfinale) eingeladen. Der Eintritt ins Stadion, das 10000 Menschen fasst und an (bzw. auf) der Copacabana steht, ist kostenlos. Es ging um den 10. Weltmeistertitel. Die bisherigen Sieger waren einmal Portugal und 8-mal (jetzt 9-mal) Brasilien. Was die Jungs da auf dem Strand so abliefern ist wirklich sehr nett anzusehen und man sah so manchen früheren Fußballprofi (z. B. Eric Cantona, im Spiel Frankreich - Portugal, das direkt vor dem Brasilien-Spiel stattfand) auf dem Sand wieder. Am Ende des Spiels stand es dann 9:2 für Brasilien, die auch Portugal im Halbfinale und Spanien im Finale geschlagen haben.
Zwei Tage später wollte ich endlich auf den Zuckerhut und als ich oben war sah es wieder so aus wie beim ersten Mal auf dem Corcovado. Diesmal beschloss ich allerdings das auszusitzen und tatsächlich wurde das Wetter wenig später wieder besser und ich habe doch noch meine wohl verdiente gute Aussicht bekommen.
Am Sonntag dann schließlich (mein letzter Tag in Rio) wollte ich zum Abschluss mal an der Copacabana baden gehen. Da ich wusste, dass es am Strand viele Diebe gibt, habe ich nur das Nötigste mitgenommen. Wie sich später herausstellen sollte, war das auch ganz gut so. Denn als ich auf dem Weg ins Hotel war (zum letzten Mal, denn es war schon 16:00), sprangen plötzlich 200 Meter vom Hotel entfernt 4 Jungs (so um die 20) auf mich zu und riefen: "Sem policia" (ohne Polizei) und hatten die Hand schon an meinem Rucksack. Als ich nicht gleich losgelassen habe, weil ich gar nicht wusste, was so schnell passiert, hat mir einer in die Hand gebissen, so dass es sogar ein wenig geblutet hat. Und dann sind sie mit meinem Rucksack auf und davon. Eine Minute später kam ein Polizeiauto vorbei und ich habe gerufen, dass sie anhalten. Dann habe ich kurz erzählt was passiert war und bin ins Auto eingestiegen, in dem die 3 Polizisten saßen. Die haben dann erst mal ihre Schnellfeuergewehre nachgeladen und sind mit einer Höllengeschwindigkeit in die Richtung geheizt, in die die Jungs verschwunden waren. Leider haben wir sie nicht mehr erwischt. Aber einer der Polizisten hat mir ganz stolz erzählt, dass er gerade einen Deutschkurs macht und ich durfte mir seine Künste auch anhören. In meinem Rucksack war übrigens das Folgende: 4 Reais (1 Euro), ein dreckiges Handtuch, eine Rio de Janeiro-Mütze (Neuwert: 4 Euro), ein Kugelschreiber, zwei Stadtpläne, mein kleines Wörterbuch (heul), ein Regenschirm, meine fast leere Sonnencreme und meine kaputte (und zwar richtig kaputte) Sonnenbrille. Viel Spaß damit Jungs.
Am nächsten Morgen um 4:00 ging es an den Flugplatz um die zweite und letzte Station der Reise anzufliegen: Foz do Iguassu. Wie ich gleich am ersten Tag feststellte, haben die dort wirklich tolle Ampeln. Bei rot leuchten immer zwei rote Lichter, eins oben und eins unten. Das untere bleibt so lange an, bis es grün wird. Zwischen dem obersten und dem unterstem gibt es weitere Lichter und je nachdem wie weit die Rotphase schon fortgeschritten ist, geht das obere Licht aus und das darunter geht an. Das geht so lange bis nur noch die beiden untersten an sind, danach wird die Ampel grün (und mit den grünen Lichtern ist es genauso). Die Lichter sind in U-Form angeordnet: die roten links, das orange unten und die grünen rechts.
Die nächsten beiden Tage habe ich damit verbracht mir die Wasserfälle (die größten der Welt, was die Wassermenge angeht) anzuschauen und das ist wirklich ein Traum. Das muss man gesehen haben und zwar live, Bilder können nur eine Ahnung vermitteln. Wer Wasserfälle mag, der wird den Platz dort lieben, es gibt weit über 250 Wasserfälle (offiziell 275, aber wenn man die kleinen mitzählt sind es wahrscheinlich weit mehr) und zwar in allen Größen und Formen, hohe, niedrige, breite, schmale, mit viel Wasser, mit wenig Wasser, usw. Wohin man schaut, man sieht überall Wasserfälle, wirklich in allen Richtungen. Wer mal dort hin kommt (was ich wirklich sehr empfehlen kann), dem kann ich auch empfehlen mal mit einem Boot (auf der brasilianischen Seite) näher an die Wasserfälle ran zu fahren. Das ist wirklich ein Spektakel. Aber nehmt Eure Badehose mit, mir hat das leider keiner vorher gesagt. Dass man nass wird, dachte ich mir vorher, aber dass man so nass wird…
Achja, wer schon mal die Niagarafälle gesehen hat….vergesst sie einfach!
An einem Tag habe ich mich dort mal mit einer Frau unterhalten, die in einem Souvenirgeschäft arbeitet (sie verdient übrigens im Monat 240 Reais, also nicht ganz 70 Euro - zum Vergleich: ein normaler Praktikant bei meiner Firma verdient 880) und da hat sie mir ihr Bild von Deutschland vermittelt. Und was glaubt ihr? Genau: Trachten, Tanz und Bier.
Am letzten Tag in Foz do Iguassu war ich noch am Itaipu-Staudamm, immerhin der (noch) größte seiner Zunft (in China wird ja gerade ein größerer gebaut, der allerdings weniger Energie produzieren wird - laut Brasilianern). Der Damm ist - für alle die das interessiert - 196m hoch, 7760m lang, jagt pro Sekunde bis zu 62200 Kubikmeter Wasser durch seine 18 Turbinen (zurzeit werden noch 2 neue gebaut) von denen jede 715 MW produziert (bzw. produzieren kann). Dieser Staudamm produziert 25% der in Brasilien und 90% der in Paraguay benötigten Energie (wenn die zwei Turbinen fertig sind noch ein Stück mehr). Der Staudamm war ein Gemeinschaftsprojekt zwischen Paraguay und Brasilien, da der Fluss die Grenze zwischen den beiden Ländern bildet. Witzig dabei ist, dass auch der Staudamm geteilt ist, d. h. auf der Seite von Brasilien wird die Energie von Brasilien (mit 50Hz) und auf der Seite von Paraguay die Energie von Paraguay (mit 60Hz) produziert. Die Arbeiter, die dort arbeiten, müssen jedes Mal beim Passieren der Grenze ihren Ausweis zeigen (kleiner Scherz). Die Firma, die den Staudamm betreibt hat zwei Direktoren, einen Brasilianer und einen Paraguayer. In den Aufsichtsräumen sitzen immer gleich viele Brasilianer wie Paraguayer.
Beim Bau dieses Staudamms wurde jede 55 Minuten so viel Beton verbraucht, wie man für ein 22-stöckiges Gebäude braucht. Immerhin fast 10 Jahre lang, 24 Stunden am Tag, 365 Tage pro Jahr. Da hätte man also fast 90000 Hochhäuser bauen können. Und der Stahl, der verwendet wurde, würde für 380 Eiffeltürme reichen.
Der Brasilianische Präsident hat mal gesagt (das haben sie in einem Film zu Beginn der Führung gezeigt), dass sich Brasilien mit diesem Bauwerk mit jedem Land der ersten Welt messen kann. Als wir dann rein gegangen sind (es gibt dort verschiedene Arten von Führungen: für Touristen - nur außen - und die technische Führung - für alle die beruflich irgendwas mit so was zu tun haben könnten), hat es geheißen: "Ja also die gesamte Technik kommt aus Deutschland (Siemens) und kleine Teile aus der Schweiz"…was soll man dazu sagen?

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