Der vierte Monat


Kurioses:

Viele Hunde und Katzen leben dort auf der Straße. Die Hunde bewegen sich in Rudeln durch die Straßen und jedes Rudel hat sein Revier. So sah ich jeden Morgen als ich aus dem Haus ging dieselbe Gruppe Hunde und jeden Abend wenn ich wiederkam, lagen sie gerade irgendwo im Schatten und machten Pause. Selbst im Urwald rund um die Uni leben einige Rudel. Alle diese Hunde sind sehr friedlich und keiner greift irgendwelche Menschen an!
Wie ich in einem der letzten Berichte schon erwähnt habe, befinden sich auf den Straßen in regelmäßßigen Abständen Wellen, die verhindern sollen, dass die Autofahrer zu schnell fahren. Eines Tages sind wir mal zu fünft in einem Auto gefahren und bei jeder Welle hängen geblieben, obwohl die Fahrerin sehr vorsichtig war. Ist eine wirklich tolle Erfindung diese Wellen. Wahrscheinlich gibt es deswegen hier auch so viele Autowerkstätten…(s. u.)
Geschäfte gibt es in Manaus für alles Mögliche. Entweder die Geschäfte verkaufen alles ohne zu erkennenden Zusammenhang der einzelnen Produkte oder es wird nur ein einzelnes Produkt verkauft. So gibt es z. B etliche Geschäfte die Farben verkaufen (solche um irgendwas anzustreichen). Andere verkaufen Felgen und zwar nur Felgen. Dafür aber in allen Größen und Formen. Andere Geschäfte wiederum verkaufen Reifen (also den Gummipart) ohne Felgen. Auch hier wieder in allen Größen (auch für Lkws). Ein weiteres Geschäft, das ich gesehen hatte verkauft Auspuffe (ist das auch die Mehrzahl von Auspuff?) und zwar nur Auspuffe - dass man sich damit über Wasser halten kann. Fürs Auto gibt es hier sowieso enorm viel. In dem Viertel in dem ich gewohnt habe kann man in keine Richtung laufen ohne dass man nach kurzer Zeit an einer Autowerkstatt vorbeikommt. Im näheren Umkreis gibt es bestimmt 10 Werkstätten, die Autos reparieren. Dass die alle genug Arbeit haben ist wirklich verwunderlich (obwohl, wenn man sich die ganzen Autos anschaut, die hier auf den Straßen rum fahren und wenn man sich an die Schlagkrater und [s. o.] an die Geschwindigkeitsbegrenzungswellen erinnert, ist das vielleicht gar nicht mehr so verwunderlich).
Churasceria - auf "gut" Deutsch: Grillerei. Dies ist eine brasilianische Spezialität und soll wohl im Süden des Landes noch viel besser sein (ist in Manaus schon sehr gut). An einem Tag in diesem vierten Monat waren wir (die Praktikanten meiner Firma) in einer solchen Churasceria um zu Mittag zu essen. Zuerst geht man zum Buffet mit den Beilagen und deckt sich damit ein (man kann so viel nehmen wie man möchte und man kann auch nachholen, sofern man will). Danach setzt man sich wieder an seinen Tisch und von nun an kommt fast jede Minute ein Kellner mit einem Grillspieß in der Hand und fragt ob man etwas davon möchte. Natürlich ist jedes Mal eine andere Art Fleisch oder Wurst am Spieß. Man kann so lange und so viel essen wie man möchte und die Grillspezialitäten sind wirklich sehr lecker. Am Ende bezahlt man pro Person 15 Reais (ca. 5 Euro) plus die Getränke. Ich war zwei Tage später noch pappsatt und am selben Abend gab es zu Hause ein Festabendessen, da meine Gastmutter an diesem Tag Geburtstag hatte. Mein armer Magen hatte sehr viel Arbeit in diesem Monat…
Urlaub gibt es in Brasilien nur am Stück, d. h. die Brasilianer müssen ihren Jahresurlaub auf einmal nehmen. Da ist nichts mit mal einen Tag frei nehmen. Allerdings gibt es trotzdem Brückentage. Am Anfang des Jahres wird ausgerechnet wie viele und wie lange dafür länger gearbeitet werden muss. Dann arbeiten (oder trinken Kaffee) alle pro Tag ein paar Minuten länger und haben dafür Brückentage.
Wenn man dort etwas auf der Bank erledigen muss, sollte man mindestens 2 Stunden einplanen, denn die Wartezeiten sind wirklich enorm. VOR (innen geht's natürlich weiter) einer Bank habe ich einmal eine 50 Meter lange Schlange gesehen. Deswegen sind die ganzen Banken hier auch mit Warteschleifen, wie man sie bei uns nur aus Freizeitparks kennt ausgestattet. Die Brasilianer trauen den Überweisungen nicht (obwohl sie funktionieren) und deswegen gehen sie eben jedes Mal, wenn sie etwas bezahlen müssen (Miete, Strom, Wasser, etc.) selbst auf die Bank und zahlen das persönlich.

Insekten:

Davon gibt es in Brasilien jede Menge (kein Wunder, nachdem Brasilien ja auch das artenreichste Land der Erde ist). An einem Tag hatten wir eine Gottesanbeterin am Eingang, Tausendfüsser durchqueren den Eingangsbereich ständig und auch ansonsten fliegt, krabbelt und kriecht es dort überall.
Eine Ameisenstraße quer über den Küchentisch findet hier kaum Beachtung, weil man sowieso nichts dagegen tun kann. Mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt, dass mir die kleinen Tierchen beim Frühstück (und bei jeder anderen Mahlzeit) Gesellschaft leisten. Man kann nichts ungeschützt stehen lassen, nach 10 Minuten ist es voller Ameisen. Deswegen bewahren die Leute auch alle Lebensmittel im Kühlschrank oder in speziellen Gläsern auf, in die die Ameisen nicht reinkommen.
Es gibt dort eine Ameisenart, die sich Straßen baut. Ja, ihr habt schon richtig gelesen, die bauen Straßen. Also nicht so wie man sich das jetzt vielleicht vorstellt mit Bagger und Walze, heißem Teer und schwitzenden Männer(Ameise)n mit nackten Oberkörpern, sondern sie beißen das Gras ab und transportieren es in ihren Bau. Dabei entstehen ca. 10cm breite Straßen, die zu den Plätzen führen, wo die Ameisen arbeiten. Auf den Straßen laufen sie dann und transportieren alles Mögliche, was auf den Straßen auch wesentlich leichter fällt, als wenn man alles über jeden Grashalm hieven muss. Dieselbe Ameisenart hatte innerhalb weniger Stunden vor meiner Firma einen Baum entlaubt. Zuerst haben sie eine Straße zu dem Baum gebissen. Dann sind etliche Ameisen auf den noch jungen (und damit auch kleinen) Baum geklettert und haben angefangen die Blätter abzubeißen. Unter dem Baum haben dann schon andere Ameisen gewartet, die die herunterfallenden Blätter (nicht aufgefangen aber dafür) in "handliche" Stücke (ungefähr 10 Mal so groß wie die Ameisen) zerteilt haben. Wieder andere haben diese Stücke dann über die Straße in den ca. 100m weit entfernten Bau transportiert. Als ich am nächsten Morgen wiederkam, hatte der Baum nicht ein einziges Blatt mehr (und es lag auch keins mehr drunter).

Weihnachten:

Die Stadt und die Häuser waren schon seit über einem Monat geschmückt. Von den Weihnachtspalmen habe ich ja schon im letzten offiziellen Bericht geschrieben. Außerdem sind die Gärten ebenfalls mit Lichtern gespickt (ich habe Gärten gesehen, in denen man vor lauter Lichtern das Gras und die Bäume nicht mehr gesehen hat). Ganz besonders haben mir die Hochhäuser gefallen. Die hatten riesige Sterne (aus Lichtern) an ihren Fassaden (über die ganze Fassade hinweg) oder Lichterketten von ganz oben bis ganz unten. Bei einem Hochhaus waren mehrere Lichterketten vom Dach bis in den Garten gespannt. Was die Weihnachtsbeleuchtung angeht sind die Brasilianer wirklich nicht ganz dicht und sehr kreativ.

Hausnummern:

In Brasilen hat jedes Haus eine Nummer - wer hätte das gedacht? Diese Nummern sind wie bei uns zu Straßen zugeordnet, nein wirklich? Nun könnte man meinen, dass somit ein Haus in einer Straße sehr leicht zu finden ist. Weit gefehlt. Diese Nummern sind nämlich alles andere als geordnet. Wenn 1001 am einen Ende der Straße liegt, heißt das nicht zwangsläufig, dass am anderen Ende der Straße die Nummer 1 ist, da könnte auch die Nummer 3067 sein (ja, die Straßen haben dort so viele Häuser, was die Sache nicht unbedingt einfacher macht). Wenn man also z. B. in einer Straße die Nummer 40 sucht und die Häuser 285 und 89 (in dieser Reihenfolge) schon passiert hat, dann heißt das nicht unbedingt, dass man in die richtige Richtung fährt bzw. läuft. Der arme Postbote….

Müll:

Die Straßen dienen in Manaus als große Abfalleimer. Alles was man gerade in den Händen hat und nicht mehr braucht wird einfach fallen gelassen. Sei es beim Gehen, aus dem Auto oder aus dem Bus heraus. Und dementsprechend sehen die Straßen auch aus. Überall liegen Plastikflaschen und sonstiger Müll rum.
Die Müllabfuhr funktioniert auch etwas anders. Man denkt sich zwar, was braucht man denn da noch eine Müllabfuhr, wenn man alles auf die Straße wirft, aber es gibt sie wirklich. Meistens kommen die Müllmänner mit dem Müllauto nachts. Der Müll wird in Tüten oder großen Häufen (da ist nichts mit Mülleimer) vor die Türe oder auf die Straße geworfen und die armen Müllmänner müssen das dann wieder einsammeln. So werden auch die Straßen wieder auf mehr oder weniger natürliche Art und Weise gereinigt. Wenn sich ein großer Haufen Müll zusammengerottet hat, dann wird er beim nächsten Termin einfach eingeladen. Auch die Arbeitsweise ist etwas anders. So stehen die Männer nicht jedes Mal nachdem ein Haus abgearbeitet wurde hinten auf das Müllauto (so wie sie es bei uns machen), sondern sie rennen (!!!) zum nächsten Müllberg und fangen schon mal an den einzusammeln.

Einkaufen im Stadtzentrum:

Am Samstag waren wir (der Studienkollege, der vor einem Jahr hier war und der jetzt 3 Wochen zu Besuch war, und ich) im Zentrum, da er noch einige Sachen (Weihnachtsgeschenke für zu Hause) einkaufen wollte. Einkaufen in Brasilien ist wirklich faszinierend. In jedem Laden stehen ungefähr 10 Verkäuferinnen (bei ganz kleinen Läden auch mal nur 5) und warten, dass jemand rein kommt. Die Läden sehen so ähnlich aus wie Garagen, die Seite der Straße zugeneigt ist, ist total offen und dient als Ein- und Ausgang. Vor diesem Ein- und Ausgang stehen nochmals mehrere Verkäufer, die versuchen, die Menschen die vorbeilaufen dazu zu bewegen in den Laden zu gehen. Dabei benutzen sie meistens ihre Hände um in den Laden zu zeigen. Einige sagen auch noch was dazu, wie z. B. "Geh'n wir rein!" (natürlich auf Portugiesisch). Und wir beide (im Vergleich zu den Brasilianern ganz weiß), waren natürlich das bevorzugte Ziel. Denn die "blöden Touris" haben Geld. Ganz sprachbegabte Einweiser (also die die versuchen die Leute in den Laden zu bewegen), benutzen dann sogar das ausländisches Wort "Hello" (das einzige, das sie können) um die Touristen davon zu überzeugen, dass das der richtige Laden ist.
Im Laden steht dann meistens noch einer mit einem Mikrofon, der auch versucht, die Leute dazu zu bewegen, in den Laden zu kommen. Manche von denen singen sogar und das ziemlich gut (klar, sie wollen die Leute ja in den Laden locken und nicht vertreiben). Die Geschichte zeigt auch, dass hier eine Arbeitskraft relativ leicht zu finanzieren ist.
Dass man uns wirklich ansieht, dass wir keine Brasilianer sind, zeigt die nächste Geschichte. Mein Kollege wollte für seinen Bruder noch ein Brasilientrikot zu Weihnachten kaufen. Als wir in den ersten Sportladen eintraten, begrüßte uns der Verkäufer, der direkt an der Türe stand, mit den Worten "Camisa do Brasil?" (also: Brasilientrikot?).

Polizei:

Es gibt in Brasilien zwei verschiedene Arten von Polizei: die Policia Federal (Staatspolizei) und die normale Polizei (vom Bundesstaat - hier Amazonas). Die Bundesstaatpolizei hat ungefähr dieselben Aufgaben wie unsere hiesige Polizei. Die Staatspolizei überwacht die Bundespolizei und fischt die korrupten Polizisten raus. Außerdem kümmern sie sich um Bundesstaatübergreifende Verbrechen und andere Dinge. Die anderen Dinge sind z. B. das Ausstellen von Pässen und das Registrieren und Überwachen von Ausländern. So mussten wir uns z. B. spätestens 30 Tage nach unserer Einreise bei der Policia Federal melden und uns dort registrieren lassen. Dazu mussten wir einige Formulare ausfüllen und unsere Fingerabdrücke abgeben. Das müssen hier übrigens auch die Einheimischen, da der Fingerabdruck hier als Unterschrift gilt (da viele Menschen nicht lesen können - die Frage ist nur, wie sie dann durchlesen, was sie gerade unterschreiben).
Wenn man als Ausländer länger im Land bleibt, muss man sich regelmäßig bei der Polizei melden (im meinem Fall alle 3 Monate - wenn man dauerhaft bleibt wohl nur alle zwei Jahre oder so um den Ausländerpass zu verlängern).
In Rio de Janeiro gibt es noch eine dritte Polizei, die Touristenpolizei, die sich vor allem darum kümmert, dass die Touristen nicht überfallen werden. Deshalb sind die Polizisten dieser Polizei auch hauptsächlich bei den Sehenswürdigkeiten anzutreffen!

Wie Du mir, so ich Dir:

Wie schon gesagt behandelt Brasilien Freunde wie Freunde. Amerika (USA) gehört übrigens nicht zu den Freunden von Brasilien. Das hat sich in letzter Zeit nicht geändert, vor allem nicht, weil vor kurzem Brasilen auf die Liste der Terrorismusgefährdeten Länder gesetzt wurde. Seitdem müssen brasilianische Staatsbürger bei der Einreise in die USA stundenlang am Flughafen warten um ihre Fingerabdrücke abzugeben. Z. B. hat ein brasilianischer Arzt seinen Kongress, für den er sehr viel Geld bezahlen musste, verpasst, weil ihn die amerikanischen Behörden sieben Stunden am Flughafen festgehalten haben. Seitdem macht Brasilien das ganz genauso. Amerikanische Staatsbürger müssen am Flughafen stundenlang warten und ihre Fingerabdrücke abgeben.
Brasilien macht das mit jedem Land so (Wie Du mir, so ich Dir….), Amerika ist nur ein aktuelles Beispiel. Als Deutscher muss man z. B. für ein Visum nichts bezahlen, weil die Brasilianer für ein Visum in Deutschland auch nichts bezahlen müssen.
Eigentlich eine gute Einstellung…

Handys:

Handys sind allgegenwärtig, wie bei uns - nur noch schlimmer. So gut wie jeder hat dort eins und telefoniert wird überall. Im Bus (ist ja nichts Neues), in der Vorlesung (in einem Hörsaal so groß wie ein Klassenzimmer mit 15 Studenten drin) und im Kino. Die Brasilianer halten sich dann die Hand vor den Mund (um den Schall direkt zum Mikrofon des Telefons zu leiten) und sprechen leise. Und dann denken sie noch, das würde keiner hören und keinen stören!

Schildbürgerstreich:

Die Uni wurde - wie schon gesagt - hier in Manaus mitten in den Dschungel gebaut. Das hat außer dem schon angesprochenen Vorteil (Panzer im Eingangsbereich) noch einen weiteren. Das Klima ist etwas anders, d. h. es ist nicht ganz so heiß.
Die Gebäude sind auf eine ganz besondere Weise gebaut. Die Räume sind normal hoch, doch zwischen der Decke des Raumes und dem Dach (die meisten Gebäude sind einstöckig) ist ein großer Freiraum. Das hat sich ein intelligenter Mensch ausgedacht und das soll den Sinn haben, dass sich die Räume selbst kühlen und man keine Klimaanlage braucht. Das ist die Theorie. Die Praxis sieht etwas anders aus. In die Gebäude sind überall nachträglich Klimaanlagen eingebaut worden, weil man es sonst im Inneren kaum aushalten würde.
Das tolle an der Geschichte: gerade während meiner Zeit in Manaus wurden neue Gebäude gebaut, weil das Studienangebot der Universität erweitert wurde. Und die Gebäude müssen genauso wie die alten gebaut werden (auch wenn das teurer ist und nichts bringt), da der Vertrag mit dem tollen Architekten eben besteht…

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