Wie fängt man einen Löwen in der Wüste?


Das Einfangen von Löwen in der Wüste ist ein schönes Beispiel anwendungsnaher Mathematik, in das sogar physikalische, informatorische, biologische und philosophische Aspekte hineinspielen. Wir geben daher zum Nutzen der Leser eine Zusammenstellung wieder, die ihm bei diesem, im täglichen Leben so häufig auftretenden Problem, einige Leitlinien zur Lösungsfindung vermittelt.

Mathematische Methoden

Die Hilbertsche oder axiomatische Methode:
Man stellt einen Käfig in die Wüste und führt folgendes Axiom-System ein:
Axiom 1: Die Menge der Löwen in der Wüste ist nicht leer.
Axiom 2: Sind Löwen in der Wüste, so ist auch ein Löwe im Käfig.
Schlußregel: Ist [p] ein richtiger Satz, und gilt >> wenn [p], so [q] << so ist auch [q] ein richtiger Satz.
Satz: Es ist ein Löwe im Käfig.

Die geometrische Methode:
Man stelle einen zylindrischen Käfig in die Wüste.
1. Fall: Der Löwe ist im Käfig. Dieser Fall ist trivial!
2. Fall: Der Löwe ist außerhalb des Käfigs. Dann stelle man sich in den Käfig und mache eine Inversion an den Käfigwänden. Auf diese Weise gelangt der Löwe in den Käfig und man selbst nach draußen.
ACHTUNG: Bei Anwendung dieser Methode ist dringend darauf zu achten, dass man nicht auf dem Mittelpunkt des Käfigbodens steht, da man sonst im Unendlichen verschwindet!

Die Projektionsmethode:
Ohne Beschränkung der Allgemeinheit nehmen wir an, dass die Wüste eine Ebene ist. Wir projizieren diese auf eine Gerade durch den Käfig, und die Gerade auf einen Punkt im Käfig. Damit gelangt der Löwe in den Käfig.

Die Bolzano-Weierstrass-Methode:
Wir halbieren die Wüste in Nord-Süd-Richtung durch einen Zaun. Dann ist der Löwe entweder in der westlichen oder östlichen Hälfte. Wir wollen annehmen, dass er in der westlichen Hälfte ist. Daraufhin halbieren wir diesen westlichen Teil durch einen Zaun in Ost-West-Richtung. Der Löwe ist entweder im nördlichen oder im südlichen Teil. Wir nehmen an, er ist im nördlichen. Auf diese Weise fahren wir fort. Der Durchmesser der Teile, die bei dieser Halbierung entsteht, strebt gegen Null. Auf diese Weise wird der Löwe schließlich von einem Zaun beliebig kleiner Länge eingegrenzt.

Die mengentheoretische Methode:
Die Punkte der Wüste lassen sich wohlordnen. Ausgehend vom kleinsten Element erwischt man den Löwen durch transfinite Induktion.
Bemerkung: Diese Methode ist in Fachkreisen umstritten, wegen der Verwendung des Wohlordnungssatzes bzw. des Auswahlaxioms. Wie so oft, hat auch die vorliegende Fragestellung zu einer fruchtbaren Entwicklung geführt. Dabei wurde schließlich eine sehr viel einfachere Methode entdeckt, die den genannten Mangel nicht aufweist: Man betrachte alle Teilmengen der Wüste, die den Löwen enthalten und bilde den Durchschnitt. Er enthält als einziges Element den Löwen. (Bei dieser Durchschneiderei ist lediglich darauf zu achten, dass das schöne Fell des Löwen nicht mit zerschnitten wird!)

Eine funktionalanalytische Methode:
Die Wüste ist ein seperabler Raum. Er enthält eine abzählbar dichte Menge, aus der eine Folge ausgewählt werden kann, die gegen den Löwen konvergiert. Mit einem Käfig auf dem Rücken springen wir von Punkt zu Punkt dieser Folge und nähern uns so dem Löwen beliebig genau.

Noch eine funktionalanalytische Methode:
Die Wüste ist eine präkompakte Menge => Es existiert ein endliches Epsilon-Netz. Endlich viele Käfige mit dem Durchmesser Epsilon in der Wüste aufzustellen sollte nun kein Problem mehr sein. In einem der Käfige findet man dann den Löwen.

Die Peano-Methode:
Man konstruiert eine Peano-Kurve durch die Wüste, also eine stetige Kurve, die durch jeden Punkt der Wüste geht. Es ist gezeigt worden, dass man eine solche Kurve in beliebig kurzer Zeit durchlaufen kann. Mit dem Käfig unter'm Arm durchlaufe man die Kurve in kürzerer Zeit, als der Löwe benötigt, um sich um seine eigene Länge fortzubewegen.

Die topologische Methode:
Der Löwe kann topologisch als Torus aufgefaßt werden. Man transportiere die Wüste in den vierdimensionalen Raum. Es ist nun möglich, die Wüste so zu deformieren, dass beim Rücktransport in den dreidimensionalen Raum der Löwe verknotet ist. Dann ist er hilflos und leicht einzufangen.

Die Cauchysche oder funktionentheoretische Methode:
Wir betrachten eine regulare löwenwertige Funktion [f] durch die Wüste. Der Käfig steht im Punkt [z] der Wüste. Man bilde dann das Integral 1/(2*Pi) * Int_C( f(zeta)/(zeta-z) ) über den Rand [C] der Wüste. Der Wert des Integrals ist f(z), d.h. es ist ein Löwe im Käfig.

Die Banachsche oder iterative Methode:
Es sei [f] eine Kontraktion der Wüste in sich. [x0] sei ihr Fixpunkt. Auf diesen Fixpunkt stellen wir den Käfig. Durch die sukzessive Iteration W(n+1) := f(W(n)), n=0,1,2,... (W(0) = Wüste) wird die Wüste auf den Fixpunkt zusammengezogen. So gelangt der Löwe in den Käfig.

Die stochastische Methode:
Man benötigt dazu ein Laplace-Rad, einige Würfel und eine Gaußsche Glocke. Mit dem Laplace-Rad fährt man in die Wüste und wirft mit den Würfeln nach dem Löwen. Kommt er dann wutschnaubend angerannt, so stülpt man die Gaußsche Glocke über ihn. Unter ihr ist er dann mit Wahrscheinlichkeit Eins gefangen.

Die didaktische Methode:
Man nähere sich dem Löwen auf einer Brunerschen Spirale. Dann elementarisiere man den Löwen zu einer Katze und fange ihn mit einer Schale Milch.

Die Kompaktheitsmethode:
Die Wüste wird ohne Beschränkung der Allgemeinheit als kompakt vorausgesetzt. Man überdecke sie mit einer Familie von Käfigen Ki (i aus I). Dann gibt es unter ihnen endlich viele Käfige, Ki1, ... ,in , die bereits die ganze Wüste überdecken. Die Durchmusterung dieser Käfige wird als Diplomarbeit vergeben.

Die logische Methode oder die Methode des tertium non datur:
Man stelle einen offenen Käfig in die Wüste und lege ein Brett mit Leim daneben. Beides biete man dem Löwen zum Betreten an. Der Löwe sagt dann: "Nein, auf den Leim gehe ich nicht!" Nach dem tertium non datur muß er in den Käfig gehen. Danach schlägt man die Tür zu.

Die Abstandsmethode;
Wir stellen einen Käfig in die Wüste, verlassen diese unauffällig und definieren in ihr die indiskrete Metrik, d.h. der Abstand zwischen allen Punkten ist 0. Insbesondere ist also der Abstand zwischen Löwe und Käfig gleich Null, d.h. der Löwe ist im Käfig.

Die Methode der vollständigen Induktion:
Ein Löwe sei in der Wüste. Mit vollständiger Induktion zeigt man leicht, dass für beliebige n aus N gilt: n Löwen sind in der Wüste. Weil die Wüste endlichdimensional (dim W = 3) ist, liegen die Löwen für hinreichend große n überall dermaßen dicht, dass zwangsläufig einer in den Käfig gedrängt wird.
Physikalische Methoden
Die Newtonsche Methode:
Käfig und Löwe ziehen sich durch die Gravitionskraft an. Wir vernachlässigen die Reibung. Auf diese Weise muss der Löwe früher oder später im Käfig landen.

Die Heisenberg-Methode:
Ort und Geschwindigkeit eines bewegten Löwen lassen sich nicht gleichzeitig bestimmen. Da bewegte Löwen also keinen physikalisch sinnvollen Ort in der Wüste einnehmen, kommen sie für die Jagd auch nicht in Frage. Die Löwenjagd kann sich daher nur auf ruhende Löwen beschränken. Das Einfangen eines ruhenden, bewegungslosen Löwen wird dem Leser als Übungsaufgabe überlassen.

Die Schrödinger-Methode:
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich ein Löwe zu einem beliebigen Zeitpunkt im Käfig befindet, ist sicher größer als Null. Folglich setze man sich vor den Käfig und warte auf das Eintreten dieses Ereignisses.

Die Einsteinsche oder relativistische Methode:
Man überfliege die Wüste nahezu mit Lichtgeschwindigkeit. Durch die relativistische Längenkontraktion wird der Löwe flach wie Papier. Man greife ihn, rolle ihn auf und mache ein Gummiband herum.

Die experimentalphysikalische Methode:
Man siebe die Wüste durch. Was übrig bleibt, ist der Löwe.

Methoden der Informatik:
Suchmethode:
Den Löwen in der Wüste zu finden ist ein Suchproblem... Hat man ihn dann entdeckt, muss man ihn nur noch im Käfig abspeichern.

Internetmethode:
Man suche sich im WWW unter http://www.tu-chemnitz.de/~mawa/loewenfang.html eine geeignete Methode aus und wende sie an.

Biologische Methode:
Man nehme eine Löwin, stelle sie in einen Käfig und diesen in die Wüste. Früher oder später werden natürliche Triebe den Löwen in den Käfig locken.

Philosophische Methoden:
Die Leichardt'sche Methode:
Man fange sich in der Wüste ein Kamel. Anschließend rede man solange wortgewandt auf das Kamel ein, bis es endlich zugibt, ein Löwe zu sein.

Die dialektische Methode:
Man setze eine Hauskatze in einen Käfig und füttere sie solange, bis der Umschlag der Quantität in die Qualität stattfindet und aus ihr ein Löwe geworden ist.

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