Der fünfte Monat


Kurioses:

Wenn man hier in eine Wohnung eintritt steht man direkt im Wohnzimmer. Wenn also die Gartentüre (siehe erster Bericht) geöffnet ist, dann kommt man meistens in eine Art Gang/Flur oder eine Art Garage. Ist eigentlich mehr ein Teil des Hauses, der überhaupt nicht genutzt wird, außer um Autos oder andere Dinge unter zu stellen. Dann kommt meistens die eigentliche Eingangstüre und hinter dieser Türe ist das Wohnzimmer.
Ein beliebtes Spielzeug bei den brasilianischen Kindern ist der Drachen (also den, den man fliegen lassen kann und nicht der, der Feuer spuckt). Man sieht diese relativ kleinen, meist selbstgebauten Drachen überall fliegen. Dumm ist nur, dass es dort sehr viele (wirklich sehr viele) überirdische Telefon- und Stromleitungen gibt. Deswegen sieht man die Drachen nicht nur überall fliegen, sondern auch überall hängen.
Ende des vierten Monats war mein Geburtstag. In meiner Leihfamilie wurde mein Geburtstag 5 Tage vor meinem Geburtstag gefeiert, weil das ein Samstag war und außerdem die Enkelin in dieser Woche Geburtstag hatte. Da hat man die Geburtstage einfach zusammengelegt. Und natürlich haben mir da auch schon alle gratuliert und ein Ständchen gesungen ("parabéns para voce, parabéns para voce…" zur bekannten Melodie). Dass man bei uns sagt, dass das Unglück bringt, habe ich aus Höflichkeit verschwiegen. Und ich glaube an so was ja auch nicht. Nur mein Rechner stürzte an dem Tag danach immer ab, kurz bevor ich speichern wollte und am Morgen bin ich in eine Pfütze gefallen, nachdem ich auf einer Bananenschale ausgerutscht und gegen einen Strommasten geknallt bin…(nur Spaß). An meinem Geburtstag bin ich dann mit meinen brasilianischen Kommilitonen zum Bowling-Spielen gegangen. Das scheint bei denen Tradition zu sein!
Eines Tages war ich bei einer brasilianischen Freundin zu Gast, die einen Swimmingpool hat. Dieser war zu der Zeit mit grünem Wasser gefüllt und ich dachte so bei mir, dass man das Wasser wieder mal wechseln könnte. Daher habe ich gefragt warum denn das Wasser so grün sei, worauf sie geantwortet hat, weil sie das Wasser gerade erst gewechselt hätten. Das heißt das Wasser kommt so grün wie es in dem Swimmingpool war aus der Leitung (ist also dasselbe Wasser mit dem man duscht oder sich die Zähne putzt). Dann hat sie noch ergänzt, dass sie da jetzt noch einiges an Chemie reinschütten müssten und dann wäre das Wasser schön klar…
Ab und zu (relativ häufig) fällt dort die Energie aus. Die komplette Stadt war an einem Tag in diesem Monat ohne Strom, als ich mich gerade duschen wollte (mein Zimmer hatte kein Fenster mit Tageslicht, sondern nur ein Fenster zum Gang und eines zu einem Luftschacht nach oben) und es war wirklich stockdunkel um 15:00 nachmittags. Normalerweise wird die Uni als erstes vom Netz genommen, also wenn irgendwo Strom fehlt, wird die Uni abgeschaltet (hat niedere Priorität) und der Strom kann dahin fließen, wo er wirklich gebraucht wird. Dass die Professoren und Studenten die Prioritäten ein wenig anders verteilen würden, brauche ich wohl nicht dazu zu sagen!
Brasilianer haben es sehr mit der Pflege ihrer Zähne. Es gibt eigentlich kaum einen, der keine Zahnbürste in seinem Aktenschrank liegen hat und die mindestens zweimal benutzt während er bei der Arbeit ist, nämlich eben nach jeder Mahlzeit und sei sie noch so klein. Den Zahnarzt wird es freuen (oder auch nicht, weil er ja nichts verdient).
Dafür haben sie es nicht so mit dem Naseputzen. Das gilt dort als unhöflich, deswegen ziehen auch alle laut und deutlich die Nase hoch, sollte sie denn laufen.
Fleisch kaufen ist auch ein Erlebnis für sich, bei dem man fast zum Vegetierier werden kann (zumindest wenn man es auf öffentlichen Märkten kauft). Das Fleisch liegt ohne Kühlung auf Holztischen, oft auch noch in der Sonne. Und es wimmelt nur so von Fliegen, die darauf rumlaufen. Zum Glück gibt es auch Supermärkte, in denen die Sache wieder ein wenig anders aussieht.
Die Brasilianer sprechen, wie ich schon erwähnt hatte, nicht viele Fremdsprachen und vor allem sprechen die meisten eben gar keine. Was jedoch verwunderlich ist, ist die Rangfolge der einzelnen Sprachen. Die meistgelernte Sprache ist natürlich Englisch, aber dann kommt schon Deutsch. Fast jeder hier (an der Uni und in meiner Firma) spricht ein wenig Deutsch oder nimmt an Deutschkursen teil. Ich habe sogar den Eindruck, dass die Leute dort lieber Deutsch als Englisch lernen.
Das brasilianische Kultgetränk brauche ich ja kaum vorzustellen. Caipirinha kennt bei uns in Deutschland mittlerweile schon fast jeder. Was die meisten jedoch nicht wissen ist, dass der deutsche Caipirinha eigentlich völlig anders ist als der brasilianische. Zuerst macht man den originalen Caipi mal mit WEIßEM Zucker und nicht mit braunem. Außerdem benutzen die in Manaus Eiswürfel und nicht so klein gehäckseltes, allerdings hatte ich mir sagen lassen, dass das im Süden anders ist (was sich im Nachhinein zumindest teilweise als Gerücht herausstellte). Des Weiteren benutzen sie weniger Eis und mehr Alkohol, so dass der Caipirinha viel stärker ist (sie benutzen glaube ich auch stärkeren Schnaps). Zu guter Letzt noch der entscheidende Unterschied. In Deutschland kostet ein Caipirinha zwischen 4,5€ und 10€, in Brasilien kostet er zwischen 1R$ und 2,5R$ (was ungefähr 0,3€ bis 0,75€ sind).
Gleich neben meinem Haus (ist natürlich - noch - nicht meins, aber ich habe darin gewohnt) befindet sich eine Autolackiererei. Die Arbeitsweise dieser Lackiererei ist ganz witzig: Sie stellen das Auto mit abgeklebten Fenstern und Felgen auf die Straße und halten kräftig mit dem Lack drauf. Dass dabei die halbe Straße mitlackiert wird, stört nicht weiter. Alles an Lack, was nach dem Lackieren noch nicht auf der Straße angetrocknet ist, wird mit Wasser ins Abwassersystem befördert. Naja, so ein Lack ist zum Glück ja nicht umweltschädlich…
In diesem Monat wurden von der Staatspolizei 40 Beamte aus den unterschiedlichsten Ämtern festgenommen. Grund: Korruption.
Ebenfalls in diesem Monat hatte ich einen netten Beruf kennen gelernt. Den Beruf des Straßenaufsehers. Dieser Straßenaufseher wird von den Anwohnern einer Straße bezahlt und das Einzige was er zu tun hat, ist zu schauen, ob sich in der Straße irgendwas Verdächtiges tut. Also ob z. B. ein Unbekannter umherschleicht oder Autoradios klaut.
Eine tolle Einrichtung sind auch die Autos mit den Lautsprechern auf dem Dach. Sie fahren dort ständig durch die Straßen und machen Werbung für irgendwas. Es gibt sie in allen Variationen, die meisten von ihnen sind selbst gebaut und haben riesige Lautsprecher auf dem Dach. Bei manchen dieser Exemplare fragt man sich wirklich, wie das kleine Auto so einen Riesenlautsprecher transportieren kann.
Wieder mal ein kleiner witziger Auszug aus den brasilianischen Verkehrsregeln: Wenn es dort auf den Straßen einen Unfall gibt, ist immer der VORDERE schuld oder so ähnlich. D. h. wenn z. B. ein Autofahrer ohne zu Schauen ausschert und ein anderer fährt in ihn rein, dann ist der der in ihn rein fährt schuld (auch wenn er neben oder vor ihm gefahren ist). Das soll dazu dienen, dass die Leute nicht so schnell und rücksichtslos fahren, allerdings bewirkt das meiner Meinung nach genau das Gegenteil, denn die Autofahrer scheren ALLE aus, ohne sich umzusehen. Mir hatte das jemand erklärt, es gibt wohl auch Ausnahmen von dieser Regel, aber meistens ist der schuld, der eigentlich (bei uns) gar nicht schuld ist (oder wäre).
Eines Tages war ich mal wieder in der Stadt um ein paar Erinnerungsstücke einzukaufen und habe dort zum zweiten Mal eine Frau gesehen. Normalerweise hätte ich mir das Gesicht der Frau nicht gemerkt, wenn sie nicht total nackt gewesen wäre. Und an disem Tag war sie wieder total nackt. Man hat mir erzählt, dass die Frau verrückt ist. Wer hätte das gedacht…?
Die Personalkosten sind in Brasilien wie schon gesagt sehr niedrig. So verdient ein normaler Arbeiter (glaube das war schwarz - wie übrigens 70% der Geschäfte dort - vermutlich alle Straßenläden) 20 Reais - am Tag. Daher kann sich auch fast jeder besser gestellte Haushalt eine Putzfrau leisten, die einmal die Woche den ganzen Tag das Haus putzt und zum Teil auch die Wäsche macht.

Karneval:

Am 31. Januar hatte Karneval schon begonnen. Sorry Köln und Mainz und restliches Deutschland, aber da könnt ihr nicht mithalten (wer das nicht glaubt, kann je selbst hinfahren und sich davon überzeugen), obwohl Ende Januar ja noch nicht richtiger Karneval war. So praktisch die Warmwerdephase. An diesem Tag fand im (oder einem Teil des) Sambodromo (auch Straßion genannt) ein Konzert einiger Karnevalsgruppen aus Manaus und Bahia statt. Bahia ist der Mittel- oder Höhepunkt des brasilianischen Karnevals (nein, das ist nicht Rio - Rio ist der touristische Karnevalshöhepunkt). In Bahia findet der Straßenkarneval statt. Da wird bis zum Ende der Karnevalswoche (also über den eigentlichen Karneval hinaus) auf der Straße gefeiert und die meisten Leute sind in dieser Woche niemals zu Hause anzutreffen, auch nicht zum Schlafen.
Auf jeden Fall war an disem Tag eine Band besser als die andere (das Konzert ging übrigens von 20:00 bis um 6:00 am nächsten Morgen, wahrscheinlich noch länger), vor allem eine aus Bahia hatte es mir besonders angetan. Die hatten viele Trommeln und haben neben dem Spielen noch mit ihren Trommeln (auch mit den großen Basstrommeln) und Schlagstöcken jongliert. Eine andere Band hat das Publikum von einer Seite auf die andere rennen lassen. Da hat der Sänger also gesagt, wenn ich das singe, rennt ihr alle nach links und dann dreht ihr um und beim nächsten Mal rennt ihr alle wieder zurück. Das ganze Straßion hat mitgemacht, waren ja auch nur ca. 50000 Leute. Eine Massenpanik ist gar nichts dagegen. Das Ganze wurde dann auch noch mit vor und zurück anstatt mir links und rechts wiederholt. Die gleiche Band hat dann noch einen ihrer Percussionisten nur mit einem Handtuch bekleidet auf die Bühne geschickt, um dort ein wenig mit seinem Hintern zu wackeln (alles sehr rhythmisch natürlich). Den Frauen hat es gefallen… Das Hinternwackeln gehört auf jeden Fall dazu, wenn man sich mal Samba anschaut, viel mehr als das und schnelle Schritte ist das gar nicht. Deswegen hatte auch fast jede Gruppe einen so genannten "Hinternwackler" oder eine "Hinternwacklerin" in ihren Reihen. So sind z. B. die Backgroundsängerinnen der anderen Band aus Bahia sambatanzend auf die Bühne eingelaufen (oder eingewackelt).
Zu Karnevalszeiten führen manche Leute dann auch eine traditionelle Mischung aus Selbstverteidigung und Tanz auf. Auf diesem Konzert hat das auch einer versucht (mitten in der Menge) und hat dabei auch gemeint er müsse Frauen erschrecken, indem er mit gestrecktem Bein auf sie zuspringt. Kurz darauf sind 12 Militärpolizisten, mit Holzschlagstöcken (ca. 1m lang) und Pistolen bewaffnet, aufgetaucht und haben ihn abtransportiert (von hinaus begleitet kann man nicht reden). Einige Zeit später hat mich einer von hinten weg gestoßen und ich wollte mich schon umdrehen und ihn fragen was das soll. Ich habe es dann doch gelassen, als ich gesehen habe, dass das einer der Militärpolizisten war, der den Trupp durch die Menge geführt hat. Hinter ihm sind dann weitere 9 gekommen, die jeder einen zwischen ihrem Schlagstock und der eigenen Brust im Schwitzkasten hatten und hinterher sind noch zwei rückwärts gelaufen, die die ganze Truppe abgesichert haben. Zusätzlich zu der Militärpolizei gab es noch etliche Ordner, die auch nicht gerade zimperlich waren.
Am folgenden Wochenende waren auch wieder einige Veranstaltungen. Eine davon habe ich auch besucht. Wieder eine Art Konzert, diesmal aber nicht im Straßion, sondern in einem Veranstaltungsclub. Die Bühne war ungefähr (fast) so groß wie die, die ab und zu in den großen Stadien dieser Welt stehen, wenn wieder mal einer der Topstars oder eine der Topbands spielt. Diesmal war es aber nicht ganz voll. Schätzungsweise (ich kann sehr schlecht schätzen) waren so zwischen 20000 und 30000 Leute da. Und wieder gab es dieses Lied, bei dem die Massenpanik ausbrach.
Was für mich aber sehr beeindruckend ist, ist dass die Preise für und bei solchen Veranstaltungen absolut im Rahmen sind. So kostet der Eintritt zu dem Konzert, das etliche Stunden geht und bei dem wohl sehr bekannte Gruppen spielen, für Studenten nur 4 für andere nur 8 Reais, also 1,30 oder 2,60 in Euro. Getränke kosten zwischen 1,50 und 2,50 Reais.
Auch eine weitere neue Erfahrung für mich. In Rom z. B. sagt man müssen Frauen an vollen Plätzen aufpassen, dass sie nicht angegrabscht werden. Hier ist das andersrum. Bei den Karnevalsveranstaltungen grabschen die Frauen. So kann es leicht passieren (ist mir mehrmals passiert), dass bei einer Art Polonaise mal schnell beim Vorbeilaufen eine Hand auf dem Hintern landet. Und das scheint normal zu sein, denn man hatte mich schon davor gewarnt, aber das half auch nichts.
Dann im Februar (zu den deutschen Karnevalszeiten) war es endlich soweit: der Showlauf der Sambaschulen. Das Ganze läuft ab wie in Rio, ist Rio also sehr ähnlich. Wahrscheinlich nur ein wenig kleiner, aber man kann ja zu einer Zeit eh nur an einem Fleck sein. Schöner kann es in Rio auch kaum sein. Sambaschulen sind ja eigentlich Sambaclubs in denen man eben auch Samba lernen kann. In Manaus gibt es 17 Schulen (bzw. 17 Schulen haben mitgemacht, aber welche Schule will denn da nicht mitmachen). Das Ganze ist ein Wettkampf. Wer das beste Thema am besten mit der besten Musik, den besten Wägen, den besten Kostümen, den besten Tänzern usw. interpretiert gewinnt. Welche Kriterien genau einfließen, weiß ich leider nicht.
Jede Schule hat für das Ereignis eigens ein neues Sambastück komponiert, welches während der ganzen Vorführung (die pro Schule ein wenig mehr als 1 Stunde dauert) wiederholt wird. Die Vorführung sieht so aus, dass verschiedene Gruppen der Sambaschulen (die größeren haben mehrere Tausend Mitglieder, die bei diesem Event mitlaufen) hintereinander durch das Sambodromo (Straßion) laufen. Jede Gruppe hat andere Kostüme an und führt etwas anderes tanzend auf. Es gibt größere Gruppen mit schön kostümierten Leuten, die mehr oder weniger einfach so durchs Straßion tanzen. Dann gibt es auch kleinere Gruppen, die entweder aus einem oder mehreren Tanzpaaren oder aus einer oder mehreren Sambatänzerinnen (manchmal auch Tänzer) bestehen. Die Sambatänzer und -innen sind sehr leicht bekleidet. Außerdem gibt es noch sehr schöne riesige Wägen, die durchs Straßion geschoben werden (nicht so memmenhaft wie bei uns mit LKW davor). Da laufen dann 5 Jungs hinterher, die den Wagen schieben und !!!unter!!! dem Wagen hat es auch noch sehr viele Leute (die man nicht sieht), die auch kräftig mithelfen. Eine weitere Gruppe ist die Musik. Die wird natürlich auch live aufgeführt. So hat jede Schule eine eigene Percussiongruppe, die neben dem Trommeln eine riesige Show macht, die daraus besteht, dass alle (bei den großen Sambaschulen einige hundert) die gleichen Bewegungen machen und sich beim Laufen in alle Richtungen drehen, was wirklich richtig klasse aussieht. Hinter den Trommlern fährt ein Lautsprecherwagen, neben dem die Sänger herlaufen, die den Sambasong immer und immer wiederholen, der natürlich wie die Kostüme und die Wägen zum Thema passt. Während der Rest des Zuges weiterläuft, bleiben die Musikgruppen in der Mitte des Straßions in einer Ausbuchtung stehen, da nicht alle Gruppen einer Schule gleichzeitig ins Straßion (immerhin 600m lang) passen und damit die hinteren auch noch Musik haben.
An jedem Abend begann die Show gegen 19:00 und endete so gegen 6:00 am nächsten Morgen. Am Anfang kamen die etwas schlechteren Schulen und je später (oder früher) es wurde, desto besser wurden die Gruppen, die Kostüme und die Wägen. Es ist wirklich ein riesiges buntes Spektakel und ich konnte mich gar nicht sattsehen.
Bei diesem Event kann übrigens jeder mitmachen, der sein Kostüm bezahlen kann (was bei den Sambatänzerinnen nicht allzu schwer sein dürfte, so wenig wie die anhaben - teilweise haben die sogar gar nichts an und sind nur bemalt. Allerdings muss man sagen, dass man nur in den großen Gruppen ohne zu Üben mitlaufen kann und das Kostüm vor dem Lauf erwerben kann. Die Sambatänzer, die Leute in kleinen Gruppen und auf den Wägen haben natürlich ein ganzes Jahr lang geübt).

Essen:

Das Essen ist in Brasilien eigentlich recht ähnlich dem unseren. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass unseres vielseitiger ist. Z. B. gibt es dort jeden Tag Reis und Bohnen. Das gehört zu jedem Essen. Genauso wie Farina. Das ist ein leicht gelbliches Pulver, das aus irgendeinem mir unbekannten Gemüse gewonnen wird. Dieses Pulver wird zu allem gegessen, vor allem zu gegrilltem Fleisch und Reis mit Bohnen. Dabei wird es zwischen den Reis und die Bohnen gemischt. Das Ganze ist sehr gewöhnungsbedürftig, macht das Essen aber interessant, denn dieses Pulver ist sehr hart und man weiß ja nie wann man mal auf ein größeres Stück drauf beißt. Es gibt hier vor allem Rind- und Hähnchenfleisch, sowie Fisch. Dazu gibt es Bohnen und Reis, manchmal auch Kartoffeln oder Nudeln. Die brasilianische Pizza ist auch sehr lecker.

Arbeit:

Am einem Donnerstag hatte ich erfahren, dass mich der Projektleiter zum Testchef meines Teams auserkoren hatte, d. h. ich war nun für die Tests der Software verantwortlich und hatte somit eine Art Führungsposition, denn ich konnte den andern in meiner Gruppe sagen wie und was und warum sie testen sollen. Außerdem hatte ich natürlich zusätzlich dieselben Aufgaben wie die restlichen drei Entwickler. Der Deutsche wird das schon hinkriegen. Zusätzlich habe ich an einem Donnerstag noch erfahren, dass wir am folgenden Montag die erste Lieferung abschicken mussten. Diese Lieferung umfasste unter anderem auch die Dokumente "Test design specification" und "Test case specification". Da ich erst am Donnerstag erfahren hatte, dass ich der Verantwortliche bin, hatte ich auch erst am Donnerstag erfahren, dass ich diese Dokumente schreiben musste. Danke schön dafür, das kann man ja nicht vorher sagen. Also habe ich mal am Donnerstag 9 Stunden gearbeitet (zur Erinnerung: mein Vertrag war für 4 Stunden pro Tag) und am Freitag habe ich das Ganze wiederholt. Dafür waren meine Dokumente (das erste 10 Seiten lang, das zweite 75! Seiten lang) aber dann auch am Freitagabend fertig, während die beiden anderen Ingenieure!!! (in Wirklichkeit Master of Science), die Testverantwortlichen der anderen Teams, noch am Wochenende gearbeitet haben (und dabei meine Dokumente als Vorlage benutzt haben - wenn wir das Wochenende vor Augen haben und es droht uns, dass wir es verlieren, werden wir Deutsche eben richtig schnell.).
Später in diesem Monat waren der Verantwortliche meines Teams und der Verantwortliche Entwickler des gesamten Projekts beim Kunden und ICH war in meinem Team der mit der meisten Erfahrung in Java (war nicht ich eigentlich der Praktikant, der was lernen sollte?) und war somit der, der die schwierigen Aufgaben zu erfüllen hatte (nicht dass ich sie hätte lösen können...).

Busfahren (Teil 78):

An den Bushaltestellen und vor allem in den Terminals stehen überall kleine Stände, die hauptsächlich Süßigkeiten, aber auch Frühstück, CDs, Gebrauchsgegenstände und anderes verkaufen. Zusätzlich dazu gibt es noch die Busverkäufer, die mit einem Schuhkarton bewaffnet in die Busse einsteigen und ganz nach hinten gehen (die dürfen meistens ohne zu bezahlen mitfahren, dafür bekommt der Busfahrer dann etwas Süßes). Dort öffnen sie ihren Schuhkarton und geben jedem Passagier eine Süßigkeit daraus. Vorne im Bus angekommen halten sie dann eine kurze Ansprache, was sie denn alles Tolles in ihrem Schuhkarton haben und wie viel es kostet. Dann laufen sie wieder nach hinten und nehmen entweder die Ware oder das Geld dafür in Empfang. Und auf geht's in den nächsten Bus.
Ein Busfahrer, der einen Bus zur Uni fährt, geht morgens während seiner Fahrt immer einkaufen. Zwischen dem Terminal 2, wo ich eingestiegen bin und der Uni, befindet sich ungefähr auf halbem Weg eine Tankstelle. Dort parkt er seinen Bus (mit den ganzen Passagieren drin) an der Straßenseite, holt sich etwas Geld von seinem Kassierer, steigt aus und kommt wenige Minuten später mit einem Sack Eis zurück. Das macht er jeden Morgen. Hat wohl den Sinn, die Verpflegungsstation für Busfahrer und Kassiere an der Endhaltestelle (Uni) zu versorgen.
Auch eine ganz witzige Geschichte aus dem Bus, ist die Sache, wie sich die Busfahrer anschnallen. Nämlich gar nicht. Sie legen nur den Anschnallgurt über sich. Das hat den Vorteil, dass es genau so "unbequem" ist, wie wenn man angeschnallt wäre, aber bei einem Unfall nichts bringt. Dass die Anschnallgurte aber auch wenig taugen, sieht man schon alleine daran, dass die da einfach hängen bleiben (ohne dass sie festgemacht wären).

Boi:

Boi ist eine Musikrichtung aus dieser Region. Im zweiten Bericht (unter dem Punkt "Brasilianer") hatte ich erzählt, dass während den Feierlichkeiten des Geburtstages von Manaus die Boi-Party stattfand. Dieses Festival findet hier jedes Jahr statt und hat mit dem Geburtstag von Manaus relativ wenig zu tun. Außer dem oben beschriebenen Karneval, der in ganz Brasilien üblich ist, gibt es hier in Manaus noch einen anderen, den es nirgendwo anders gibt, genannt: Carneboi. Im Prinzip genau dasselbe wie Boi, nur, dass es sich bei Carneboi nicht um einen Wettkampf handelt, sondern um eine Tanzveranstaltung für jedermann. D. h. die Wägen mit den Stieren (siehe unten) und den Bands fahren durch das Straßion und die Menge tanzt hinterher.
Im zweiten Bericht habe ich leider verpasst, zu beschreiben, wie das Boi-Festival eigentlich abläuft, deswegen hier noch ein kleiner Nachtrag:
Es gibt zwei Mannschaften: Caprichoso (rot) und Garantido (blau). Beide Mannschaften komponieren über das Jahr neue Boi-Musik mit "Hindernissen" für die Gegner (Hindernisse sollen dazu dienen, dass die Gegner beim Tanzen aus dem Rhythmus kommen). Jede Band gehört zu einer Mannschaft (zu einem Boi). Die Tänzer jeder Mannschaft kennen natürlich ihre Lieder und haben die über das Jahr hinweg geübt, denn zu jedem Lied gibt es eine andere Koreographie. Das Jahr über kann die Öffentlichkeit ins Straßion gehen und die Tänze für das nächste Festival üben (um auf der Tribüne oder der Straße mitzutanzen). Wer von den beiden Mannschaften nun am besten zur eigenen und zur gegnerischen Musik tanzt gewinnt (oder so…).
Während des zweitägigen Festivals fahren die Bands der beiden Mannschaften auf einem Wagen, der mit einem riesigen Stier (in blau oder rot), dem Maskottchen der Mannschaften, geschmückt ist, durchs Straßion und die Menge darf hinterher tanzen. Die Tänzer, die zu den Mannschaften gehören, stehen links und rechts der Straße auf Podesten (zu acht, 2 Mädels und 2 Jungs jeder Mannschaft) und tanzen dazu (mal die eine, mal die andere Mannschaft). Beim Carneboi fehlen lediglich die Mannschaftstänzer, alles andere ist gleich.

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