Der zweite Monat


Kurioses:

Was einen wirklich sehr verwundern kann, ist, dass in einem Land, das das größte zusammenhängende Waldgebiet der Erde beherbergt, in einer Stadt, die mitten in diesem Waldgebiet liegt, die meisten Menschen einen Wald noch nie von innen gesehen haben. Zumindest nicht den in Manaus. Selbst die Uni liegt ja bekanntlich im Wald und zwar mitten drin. Um von einem Teil der Uni zum anderen zu gelangen, muss man den Bus nehmen, da so viel Wald dazwischen liegt.
Die meisten Menschen dort haben auch noch nie den Zusammenfluss des Rio [sprich: Hio] Negro und des Rio Solimões gesehen. Dabei vereinen sich die beiden Flüsse ca. 8 km von Manaus zum Amazonas (eigentlich fängt der ja schon weiter oben an, aber die Menschen dort, sagen erst ab da Amazonas dazu). Der Rio Negro hat eine relativ normale Flussfarbe, während der Rio Solimões (Amazonas) bräunliches Wasser führt. Nachdem sich diese beiden Flüsse vereinen, fließen die verschiedenen Wassermassen (bis zu 30% der Süßwasservorräte der Erde, je nach "Jahreszeit") 8 bis 12 km nebeneinander her und man kann eine Grenze zwischen den beiden sehen.
Schlüssel sind in Brasilien sehr beliebt. Für meine Wohnung hatte ich 5 Schlüssel und dabei waren noch nicht die Schlüssel, die ich gebraucht hätte, um zu der Familie zu kommen. Da die Türen ja nur Gartentüren sind, haben sie auch nur solche Schlösser. Deshalb werden alle Türen zusätzlich durch Riegel mit Vorhängeschlössern gesichert. Da kommen dann natürlich schnell 30 Schlüssel pro Haushalt zusammen (4 für die Haustüre, 4 für die Gartentüre, 5 für die Türe zur Wohnung, usw.). Dafür kann man die dann aber auch an jeder Straßenecke nachmachen lassen. Die Technik, die dazu benutzt wird, lässt sich nicht beschreiben. Das muss man gesehen haben…
Meine Reisebegleitung hatte einen tollen Reiseführer bei sich. Darin enthalten, ist auch ein toller Sprachführer, der solche wichtige Sätze wie "ich bin reich und ledig" und "ich möchte eine neue Religion gründen" enthält. Braucht man natürlich dringend.
Die Filme im Kino sind original auf englisch mit portugiesischen Untertiteln. Besser als nichts. Es hätte ja auch schlimmer kommen können, z. B. griechisch mit chinesischen Untertiteln. Man sollte übrigens nicht glauben, wie oft in so einen amerikanischen Film das böse f-Wort, das ich nicht verwenden will (fuck), passt.
An unserem ersten Tag an der Uni, wollte ich einige Emails nach Hause schreiben, allerdings war das nicht möglich, da keine Verbindung zum Internet bestand. Später stellte sich heraus: Irgendjemand hatte die Telefonleitungen gestohlen...
An einem unseren ersten Tagen wurde uns gesagt, dass es an diesem Tag sehr kalt sei. Es hatte um 7:00 erst 25° und mittags hatte es nur 31°. Für dortige Verhältnisse ist das wirklich kalt und man sollte es nicht glauben, die Brasilianer frieren…
Eine Mitstudentin erzählte mir, dass man nachts die Ampeln bei wenig Verkehr nicht beachten muss (da es recht unsicher ist nachts anzuhalten). Die leuchten praktisch nur zur Zierde. Es schien dort den ganzen Tag Nacht zu sein. Wenn die deutschen Behörden dort tätig wären, hätte vermutlich nach 2 Stunden kein Brasilianer mehr einen Führerschein. Es ist wirklich unglaublich wie die fahren. Es scheint mehr ein Slalomfahren mit beweglichen Hindernissen zu sein, bei dem man möglichst schnell durch die Stadt rasen muss.
Die Straßen sind alle sehr breit (klar, man hat ja Platz). Eine vierspurige Einbahnstraße ist keine Seltenheit. Eine sechsspurige Straße auch nicht. Die Straßen haben eine sehr gekrümmte Form, d. h. in der Mitte ist die Straße am höchsten und an den Rändern ist sie ca. 30 - 40 cm unter dem Niveau des Gehwegs. Als ich das zum ersten Mal gesehen hatte, hatte ich mich gefragt, was das denn soll. Das ist ja fast schon gefährlich. Mittlerweile weiß ich es, denn wenn es dort mal regnet, verwandeln sich diese Rinnen in reißende Bäche, die bei uns auf jeder Karte verzeichnet wären.

Busfahren:

In Brasilien erlebt man beim Busfahren immer etwas Neues, so auch im zweiten Monat.
Busfahren in Brasilien ist ein Abenteuer für sich. Wie schon gesagt, gibt es keinerlei Fahrpläne, d. h. der Bus kommt jetzt oder eben eine Stunde später. Da es aber keine Fahrpläne gibt, gibt es auch keine Streckenpläne. D. h. als Fremder in der Stadt weiß man nicht welcher Bus wohin fährt. Man kennt nur die Nummer, die Endstation und ggf. ein Terminal, an dem der Bus vorbeifährt. Diese Informationen stehen vorne auf dem Bus drauf. In den Terminals, von denen es in Manaus 5 gibt, muss man, wenn man in einen anderen Bus umsteigt, nicht nochmals bezahlen (eine Fahrt egal wie weit kostet übrigens 1,5 Reais - 1 € sind ca. 3,2 Reais).
Wenn man nun also von A nach B möchte, muss man entweder wissen, welche Nummer (Linie) von A nach B fährt, oder man muss wissen, welche Endstation in der Nähe ist. Wenn man Glück hat, ist die Haltestelle zu der man will schon die Endstation. Ganz optimal ist es natürlich, wenn man, so wie wir damals, gezeigt bekommt, welcher Bus wohin fährt.
In Deutschland würde man sich an die Bushaltestelle stellen und warten, bis der Bus kommt. Würde man das in Manaus tun, würde der Bus zwar kommen (irgendwann), aber er würde einfach vorbeifahren. Wenn man in einen Bus einsteigen will und schon an der Bushaltestelle steht, muss man winken, damit der Busfahrer auch deutlich sieht, dass man mitfahren will.
Man steigt im Übrigen hinten ein, denn da sitzt die ABM (der Kassierer) und verlangt Geld für die Busfahrt. Möchte man wieder aussteigen, muss man nicht wie bei uns, auf einen Knopf drücken (solche Busse gibt es zwar auch, aber sehr wenige), sondern man muss an einer Leine ziehen, die von hinten nach vorne "gespannt" ist und die eine Klingel auslöst. Wenn man relativ weit hinten steht oder sitzt, sollte man allerdings rechtzeitig anfangen zu ziehen, denn diese Leine ist sehr locker und u. U. fährt der Bus in der Zwischenzeit am Ziel vorbei. Aussteigen muss man natürlich ganz vorne beim Fahrer, da man ganz hinten nicht rauskommt - wegen dem Drehgitter beim Kassier.
Es kann schon mal passieren, dass ein Bus sehr voll ist (man kann sich lebhaft vorstellen welch tolles Erlebnis es dann ist von ganz hinten nach ganz vorne zu gelangen wenn man aussteigen möchte). Dann werden einfach die Türen offen gelassen und die Passagiere stehen auf den Stufen (oder schleifen hinterher) und halten sich an den sehr kleinen Türgriffen fest (oder am Vordermann). Wenn man in eine solche Situation gerät (sollte man besser vermeiden), muss man sich sehr (wirklich sehr) gut festhalten, da die Busfahrer einen sehr (wirklich sehr) zügigen Fahrstil haben. Falls man nicht durch den Bus rollen möchte, ist es übrigens auch im Inneren des Busses, im Sitzen sowie im Stehen, angebracht sich fest zu halten (falls man überhaupt Platz hat um zu rollen). Wenn die Busse voll sind, könnten sie ohne Weiters bei "Wetten Dass..??" mitmachen, unter dem Motto: Wetten dass wir es schaffen 200 Leute in einen Bus zu bekommen. Es ist auch durchaus üblich, dass Busfahrer während der Fahrt die vordere Tür öffnen, um den neben ihnen Fahrenden zu beschimpfen oder zu begrüßen. Deshalb sollte man sich - vor allem in Kurven - von der vordern Türe fernhalten.

Uni:

Wie schon im ersten Bericht erwähnt, liegt die Uni mitten im Dschungel und man kann dort sogar auch Affen sehen. Ja, ich weiß, das kann man in Deutschland auch, aber die sind nicht so süß und nicht (ganz) so behaart wie die dort.
An einem unserer ersten Tage hatten wir die erste Vorlesung auf portugiesisch. Aufgrund nicht vorhandener Fahrpläne, sind wir eine halbe Stunde an der Bushaltestelle gestanden, ohne dass ein Bus gekommen wäre (zumindest nicht der richtige). Aus diesem Grund waren wir leider erst eine Viertelstunde nach Beginn der Vorlesung an der Uni (die erste Vorlesung beginnt um 7:00). Wir - die blöden Ausländer - sind natürlich über den Campus gewetzt, weil wir nicht zu der ersten Vorlesung schon zu spät kommen wollten. Leider hat es trotzdem nicht ganz gereicht, um 7:20 waren wir dann im Hörsaal, die erschreckend klein sind. Und zu unserer Überraschung waren wir die ersten. Nicht mal der Professor war da. Pünktlich um ca. 7:25 ging es dann los. Z - Transformation. Der Stoff war eigentlich nicht sehr kompliziert und deswegen konnte ich ohne größere Probleme der Vorlesung folgen, wenn ich auch kein Wort, von dem was der Prof. gesagt hat, verstanden habe. Aus meiner Erfahrung in Deutschland weiß ich, das Nicken in solchen Fällen immer ein gutes Mittel ist, auch wenn es in Deutschland normalerweise nicht an der Sprache lag.
Wie schon erwähnt, haben uns ein paar Studenten beim ersten Mal die Uni ein wenig näher gebracht. Dabei haben sie uns auch voller Stolz ihren größten Hörsaal (ca. 40 Leute passen da rein) gezeigt. Sie waren dann auch relativ geschockt, als ich ihnen erklärte, dass einer unserer kleinsten ungefähr genau so groß wäre und unser größter über 800 Leute fasst.

Portugiesisch:

Ab dem zweiten Monat gaben uns die Studenten jeden Tag Unterricht in Portugiesisch. Wir hatten dann jedes Mal 3 bis 10 Lehrer. Normalerweise, ist das Verhältnis mehr als umgekehrt, aber gut. Als Ausgleich hatte ich ihnen versprochen, dass ich ihnen einen Deutschkurs geben würde. Das war ein Spaß! Wie ging noch gleich der Satz im Präteritum mit dem Dativ von "Haus" und dem Adverb, das das unregelmäßige Verb "sein" näher bestimmt? Ist das überhaupt ein unregelmäßiges Verb?
Die Deutschkurse mit den etwas Fortgeschrittenen waren kein großes Problem, denn die kennen die allgemeinen Regeln schon und wollen vielleicht mal ein Wort wissen, oder wie man ein Verb konjugiert. Aber die Anfängerkurse.... Wie erklärt man nur, dass es "ich erzähle DIR" aber "ich frage DICH" heißt (ich bin doch gar kein Deutschlehrer und interessiert hat mich das auch noch nie)?

Brasilianer:

Mittlerweile waren wir fest in der Gruppe, der brasilianischen Studenten, die uns an der Uni herumgeführt hatten, integriert und es machte wirklich Spaß mit dieser Gruppe. Alle waren supernett und versuchten ihr Bestes uns zu helfen, uns zu verstehen und mit uns zu reden, wobei das nicht immer so einfach war (siehe unter Portugiesisch). Am einem Wochenende in diesem zweiten Monat wollten wir zum ersten Mal etwas gemeinsam unternehmen, allerdings wußten wir noch nicht was, da sie sich noch nicht konnten. Einige der Damen tendierten eher zum Umherhüpfen, sprich: Tanzen, während einige der männlichen Kollegen eher zu etwas Ruhigerem tendieren.
Einigen aus der Gruppe hatten meine 5 Sprachen sehr imponiert, da dort fast jeder nur eine Fremdsprache kann und dies auch nicht richtig gut. Da ich mich mit den meisten Studenten auf Englisch unterhielt, merkten sie ja auch nicht wie schlecht mein Französisch und Spanisch wirklich sind. Da hilft auch sehr die Ja/Nein-Taktik. Eins von beiden passt meistens. Und dass ich Portugiesisch spreche, konnte ich zu diesem Zeitpunkt wirklich noch nicht behaupten, aber sie zählten es trotzdem dazu.
Am Freitag hatten wir uns dann endlich geeinigt, was wir denn am Wochenende machen wollten. Samstag Abend wollten wir auf ein Konzert einer Band gehen, die Beatles-Lieder spielen und am Sonntagmorgen!! waren wir zu einer Barbecue-Party eingeladen.
Ende des zweiten Monats ist meine Ja/Nein-Taktik zum ersten Mal fehlgeschlagen, als meine Ersatzmama uns nach dem Essen etwas gefragt hatte. Ich wusste nicht so genau was sie gefragt hatte und habe einfach mal '"Jaja" gesagt. Dummerweise hatte sie wohl gefragt ob es uns nicht geschmeckt hätte….
Am letzten Wochenende im zweiten Monat feierte Manaus seinen 334sten Geburtstag und deshalb wurde nichts gearbeitet. Am Freitag Abend sind wir zu den Feierlichkeiten ins SAMBA-Stadion gegangen (die übrigens jedes Jahr stattfinden, eigentlich unabhängig vom Geburtstag der Stadt).
Es war unglaublich - so wie man sich Partys in Brasilien vorstellt. Das SAMBA-Stadion ist eine 600m lange Straße mit hohen Tribünen links und rechts. Auf der Straße sind Lkws wie bei der Loveparade gefahren mit (in Brasilien) berühmten BOI-Sängern drauf, die ihre Lieder zum Besten gegeben haben. Boi ist die Musikrichtung, die vor allem im Norden Brasiliens bekannt ist. Dort finden regelmäßig Festivals statt. Vor und hinter dem Wagen haben die Leute getanzt. Es gibt zu jedem Lied eigene Bewegungen, die man kennen muss. Die ganze Straße war voll und genauso die Tribünen und alle waren bunt gekleidet und das ganze Straßion (Straßen-Stadion) hat getanzt. Die Tribünen haben deutlich geschwankt durch die Tänzer. Und ich Vollidiot (da kommt es wieder raus), hatte natürlich meine Kamera nicht dabei… Auf jeden Fall war es ein unglaubliches Erlebnis.
Und zum Glück sind die Brasilianer so nett. Das Fest (zum Geburtstag von Manaus) dauerte von Donnerstag bis Samstag. Und am Samstag (am Freitag waren wir zum ersten Mal) hat mich eine meiner sehr netten Mitstudentinnen nochmals mit zu diesem Festival genommen, damit ich zu meinen Fotos gekommen bin.

Job:

An einem Dienstag um 16:30 wurde uns gesagt, dass wir ein Vorstellungsgespräch um 17:00 hätten. Wäre schön gewesen, wenn ich mir wenigstens noch frische (saubere) Sachen hätte anziehen können und mich eventuell rasieren, aber da wir gerade an der Uni waren, ging das leider nicht. Also sind wir dann eben zu der Firma gefahren, haben uns ein wenig umgesehen und dann sind wir gefragt worden, ob wir denn da arbeiten wollen. Nachdem wir ja gesagt hatten, wurde uns gesagt, dass wir am nächsten Montag anfangen könnten. Allerdings hat uns der Professor aufgeklärt, dass das in Wirklichkeit noch ein paar Wochen dauern könne und er hatte Recht.

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